Freitag, 29. Mai 2009

Ein typischer Dienst

Nachts 3.00
Mein Telefon klingelt. Ich versuche mich zuerst zu orientieren. Ah... bin in der Klinik, vor 2 Stunden ins Bett, immerhin. Am Telefon ist ausgerechnet die einzige Schwestern mit der ich nicht so gut zurecht komme. Wir hatten heute schon einen Disput über einen Patienten und den hat sie mir glaube ich übel genommen...
"Eine Kopfplatzwunde" wird mir durch den Hörer an den Kopf geschmettert.
"Aha...der typische Fall. Alkoholisierter Jugendlicher bis junger Erwachsener oder Pflegebdürftige aus dem Heim, gestürzt...mal sehen" denke ich mir, während ich mich langsam in meine Dienstklamotten hineinzwenge. Noch schnell ins Bad Zähneputzen, auch wenn der Patient aus dem Mund riecht (Stichwort alkoholisierter Jugendlicher) muss ich es ja nicht auch noch tun. Schnell noch ne Ladung kaltes Wasser und schon bin ich auf dem Weg in die Notfallambulanz.

Treffer, ersteres ist der Fall. Ein alkohlisierter, gerade-Döner-gefrühstückter Mitt-Zwanziger, leicht schwankend am Anmeldetresen. Die Schwester zu mir:
"Na da haben wir jetzt aber ein Problem, Doktor, der Patient hat gar keine Platzwunde, da hat die Leitstelle mir was Falsches durchgesagt." Supi.
Ich wende mich an den noch dabeistehenden Sani: "Was ist den passiert"
Sani:" Na die Polizei hat mich gerufen, die haben ihn", er zeigt auf den Schwankenden "aufgefunden und stellen ihn jetzt vor, zum Ausschluss einer Verletzung. Angeblich hätte er sich laut seiner Aussage geprügelt, die Polizei glaubt aber, er hat sich beim Stolpern die Zähne rausgeschlagen".
Ich zum Patienten: " Na wo tuts weh?"
*Wolke aus Knoblauch und Alkohol weht mir ins Gesicht*
"Nirgends. Hab nix. Weiss auch net, warum mich die Bullen angehalten haben, ich war schon fast zu Hause, wie komm ich denn jetzt nach Hause?".
Ich: "Na haben sie denn die Polizei informiert oder sind sie einfach so an Ihnen vorbeigefahren?" Patient:"HMRRFFLL" *wendet sich ab und murmelt etwas in den Bart*
Ich:"Was ist den passiert?"
Patient:" Na hier das A*piep* von *piep* hat mir so mir nix ohne was zu sagen eine reingehauen"*zeigt zwei Stifte, wo mal die Schneidezähne waren*
Ich:"Aha und jetzt sind die Zähne weg, tut das weh?"
Patient:"Nöh waren ehh nur Stiftzähne, aber anzeigen will ich die *Piep*.
*wendet sich zum Sani*
Patient:"Du fährst mich doch gleich nach Hause oder?"
Die Schwester *in herrischem Ton*:" Darf ich jetzt zuerst mal die Daten einlesen"
Ich: *händehebend*"Okay, okay"
Derweil der Patient immer wieder: "Mann wie komm ichn jetzt wieder nach Hause, ich muss doch um 6 auf Arbeit."
Die Schwester: "Die Chipkarte bitte; das kostet 10 Euro Praxisgebühr"
Patient *sofort* "Hab ich net mit"
Die Schwester *frostig* "Wirklich kucken sie doch mal in Ihrem Portemonnaie!"
*Patient schaut ungefähr 1/10 Millisekunde ins Kleingeldfach seines Portemonnaies* und sagt:
"Hab nur noch 3 Euro!"
*grinst, sieht eine Schachtel Ferrero Küsschen hinter dem Tresen stehn und kuckt die Schwester mit einem Hundeblick an.*
Patient:" OHH krieg ich nen Ferrerari...*kuckt sie an*sie brauchen das ja ehh nicht...Schwester Evelin...*sucht ihr Namensschild*
Patient: "ich weiß nicht wie sie heißen, aber sie haben ja auch kein Namensschild
*kuckt mich wieder an, grinst...Knoblauch und Alkohol*.

Hier muss man wissen, das besagte Schwester etwas korpulent und auch sehr empfindlich bezüglich dieses Punktes ist. Nur mit größter Anstrengung gelingt es mir ein Grinsen zu vermeiden, der Sani kann schon fast nicht mehr, läßt sich schnell eine Unterschrift auf dem Transportschein geben und haut ab. Ich bilde mir, ein ein Glucksen aus der Richtung zu hören in die er davon eilt, bevor sich die Türe hinter ihm schließt.

Patient " Ähh wie kommichnu nach Hause"
Ich *sachlich* : "Na nun lassen sie uns doch zuerst mal schauen wo sie Ihre Beschwerden haben"
und fange an, ihn mit Fragen bezüglich möglicher Verletzungen zu bombadieren. Nachdem er zwischenzeitlich, zweimal aufs Klo und auch zweimal noch die Schwester um ein "Ferrari" bzw "Ferrerio" angebettelt hat, jedesmal mit mehr Feindseiligkeit in der Blickantwort der Schwester,
habe ich herausgefunden, dass er bis auf die durchaus schädliche Menge an Alkohol in seinem Blut eigentlich keine Beschwerden hat. Auch eine Beeinträchtigung seiner geistigen Fähigkeiten im Sinne einer Unzurechnungsfähigkeit liegt nicht vor. In medizinischen Kreisen spricht man von Orientiertheit zu Ort, Person und Zeit. Also beginne ich vorsichtig zu sondieren.
Ich: "Also mit dem Alkohol, den sie im Blut haben muss ich sie eigentlich mindestens 24h überwachen und dass es im Rahmen der nächsten 48 Stunden wegen des Schlages gegen den Kopf zu einer intracerebralen Blutung kommt kann ich nicht ausschließen, deshalb würde ich Ihnen einen stationären Aufenthalt empfehlen. Verstehen sie was ich sage?"
Patient:"Kannste vergessen Alter, ich muss morgen arbeiten"
Ich:"Aber dann muessen sie mir eine Erklärung unterschreiben, in der sie mich von jeglicher juristischer Verantwortung entbinden, wenn sie jetzt nach Hause gehen."
Patient:"Mach ich, *stolz* hab ich schon ein paar Mal uterschrieben, soen Wisch"
Ich:" Okay, aber ich muss Ihnen mitteilen, dass es auch im Rahmen dieser Verletzungen zu bleibenden Lähmungen oder sogar einem plötzlichen Tod kommen kann."
Patient: "Is mir egal, ich geh nach Hause.Wie komm ichn nach Hause, könnt ihr nicht nochmal den Kutscher rufen, der hat mich ja immerhin auch geholt."
Ich: "Nein tut uns leid, das geht aus versicherungstechnischen Gründen nicht, aber ich kann Ihnen ein Taxi rufen, da muessen sie aber zuzahlen..."
Patient: "Nee, dann lauf ich lieber, sach ma den Hertransport muss ich doch auch bezahlen, da kommt doch so ne Rechungn über 10 Euro irgendwann, oder? Mensch dieser ganze Spass hier kostet mich jetzt schon 20 Euro für nix, warum habtn ihr mich hergeholt? Ich muss meine Kröten schwer verdienen, viel zu schwer um sie Euch in den Rachen zu schmeissen"
Ich:" Wir nehmen die 10 Euro für Ihre Kasse ein, wir haben gar nichts davon."
Patient: " Jaja, das sagen alle"
*zu mir gewandt, zeigt auf die Pralinen:* "krieg ich das Ferrera"
*die Schwester räumt die Pralinen nun schon fast panisch weg*
*Patient zu Schwester*:" Ooch komm! Du brauchst die doch wirklich nicht, du hattest doch heute schon die Meisten, oder nicht?"
*Schwester schnippisch*:"Die gehören mir nicht!"
Patient:*zu mir*"Die lügt doch"
Ich:" Schluss jetzt mit den Spielchen! Bleiben sie jetzt hier oder unterschreiben sie den Zettel?"
Patient:" Na wie lange soll ich den dann hierbleiben?"
Ich:" Vielleicht 2-3 Tage, aber mindestens solange bis sie den Alkohol losgeworden sind!"
Patient:" Nee, Alter geht gar nicht, gib ma her den Dreck"*kritzelt zweimal durchaus lesbar seinen Namen auf den Zettel*" also muss ich jetzt wohl heim laufen, oder was?"
Ich: " Das Angebot mit dem Taxi steht noch"
Patient:" Nee, nee, laßt mal, ich lauf..."
Die Schwester "Und was ist mit den 10 Euro?"
Patient :" Wenn du mir ein Ferrerrro gibst, dann bring ich sie Dir morgen abend vorbei, da biste doch im Dienst oder? So um 3.00, och komm bitte,bitte,bitte."
Die Schwester "Dann schreib ich halt ne Rechung"
*und stürmt wutentbrannt aus dem Zimmer um 2 Minuten später mit einer Bestätigung wiederzukommen*
Schwester:*mit einer Stimme nahe am absoluten Nullpunkt.*"Hier unterschreiben"

Danach machen wir alle Papiere fertig, schiessen noch ein Foto als forensischen Beweis, der Patient nutzt die Situation um noch einmal sein schönstes Lächeln in die Kamera zu grimassieren. Bei Übergabe der Papiere halt ich ihm die Hand hin.
Ich:" Tschüß und alles Gute..."
Der Patient *grinst* und schlägt ein:" Du bist in Ordnung , Alter" lehnt sich zu mir hinüber *wieder Knoblauch und Alkohol* und sagt zur Schwester gerichtet in gespieltem halblauten Flüsterton "Aber ich glaube sie, sie mag mich irgendwie nicht"
Grinst und haut ab.

Mittwoch, 27. Mai 2009

Ein ganz besonderer Dienst

Männertag... Früher war dieses Wort ein Quell unendlicher Freude. Schon Wochen vorher wurde überlegt, wo es denn hingehen könnte. Alle wurden antelefoniert, auch die Jungs, die mittlerweile weggezogen sind. Es wurden fleißig Einladungen verteilt und am Ende hatte man meistens ein nettes kleines Grüppchen gut gelaunter Männer zusammen, die ausgerüstet mit einer unglaublichen Menge Bier und sonstiger Alkoholika, sich warm trinkend in Richtung Bahnhof bewegten, um am Ende wieder die gleiche Route, wie immer zu nehmen...Männertag halt.

Also sagt man sich" An dem Tag haste keine Lust, Dienst zu schieben."
Ist ja klar. In den Jahren hat man so einiges selbst erlebt, vom fast allergischen Schock, bis hin zum gebrochenen Arm und dem Schädelhirntrauma. Nicht zu vergessen die leichte bis schwere Alkoholvergiftung mit oder ohne Bewußtseinsverlust, ohne die man ja ohnehin am Männertag in der Hackordnung wenig aufsteigt.
Also dachte ich mir, machste am Männertag keinen Dienst. So weit so gut. Blöd war nur das ich vergessen hatte auch den Folgetag in der Dienstplanung mit einzubeziehen. Das war nämlich ein Brückentag.

Tja, und was macht jeder vernünftige Mensch am Brückentag? Genau! Urlaub nehmen. Das war die erste Abfahrt, die ich verpaßt hatte. Die Lektion die ich hier lernte war folgende:

"Am Tag nach dem Tag X schlafen alle erstmal den Kater aus und dann beim Aufwachen merken sie, ups, ich hab ein riesen Loch im Bein. Hmmm. Hab ich gar nicht gemerkt gestern...aber heute, heute kann ich damit gar nicht mehr laufen, also geh ich mal zum Arzt."

Und hier kommt der Brückentag ins Spiel. Den haben nämlich meine lieben Kollegen der ambulanten Versorgung wie jeder vernünftige Mensch genutzt, um ihre Praxis zu schließen und das ohnenhin schon geschundene Budget etwas zu schonen.
Das heißt: Weit und breit kaum eine Hausarztpraxis offen und alle ambulant chirurgischen Kollegen hatten natürlich ihre Praxen ebenfalls geschlossen. Nicht jedoch ohne zu vergessen ihre täglich zu behandelnden Patienten in die Notfallambulanz für den Brückentag und das kommende Wochenende zu schicken.
Und so kam es wie es kommen mußte, mein Pieper meldete sich um 07.02 Uhr (Dienstbeginn 7.00) mit den ersten zu versorgenden Patienten von den lieben Kollegen. In meinem Fall waren es zwei wirklich geplagte Patienten mit Anokutanen Fisteln (Kanäle die den Enddarm mit der Haut in der Nähe des Afters verbinden, durch die Darminhalt fast permanent nach außen fliessen läßt) die gespült werden mußten.
Und zum Warmbleiben gesellten sich bereits die ersten "gestern" umgeknickten Füße in die Notfallambulanz, hinzu kamen die üblichen Gips- und Wundkontrollen, die eigentlich jeden Tag mal mehr mal weniger anfallen usw. Dass man immer etwas zu tun hat, ist normal. Der Unterschied heute war nur, das für jeden abgearbeiteten Fall, zwei bis drei neue Patienten kamen. Die Stimmung im Wartezimmer begann äquivalent zur Anzahl freier Stühle zu sinken und schon bald merkte man auch den Schwestern an (die übrigens unsere beste Sensorik bezüglich der Patientenstimmmung sind), das sich ein Volksaufstand ankündigt.

Als dann auch noch gegen 12.00 Uhr bei mittlerweile ca. 10 stehenden Personen im Wartebereich eine Notfalloperation fällig wurde (Loch im Dickdarm, dieses mußte unbedingt versorgt werden, da sonst absolute Lebensgefahr besteht), dachte ich mir: "Biste mal nett und gehst ins Wartezimmer und sagst den lieben Patienten, das es jetzt erstmal 2 Stunden dauert bis wieder etwas passiert. "
(Im absoluten Notfall steht auch mein internistischer Kollege zur Verfügung um die Leute zu behandeln, die leichten Fälle und das sind 90 % müssen allerdings warten, da der Kollege selber viele Patienten behandelt).
Ich also rein ins Wartezimmer und sag noch ganz nett, dass es uns leid tut, aber die Patienten könnten sicher verstehen, dass es absolut dringend ist und sie möchten ja auch wenn sie so krank sind, dass man sie gleich operiert.
Da werd ich von einer Angehörigen mit leicht hysterischem Ton angebellt, was mir denn einfalle... und ihre Verwandte würde bereits im Behandlungsraum sein... und die sei schwer krank und die hätte auch Diabetes und ... naja ich sag zu ihr, sie soll sich doch keine Sorgen machen, da ihre Verwandte doch jetzt bereits in Behandlung ist und die Schwestern passen auf und es kann ja nichts passieren. Dann geh ich ohne etwas zu ahnen in den Op-Saal, wo wir es tatsächlich schaffen das Darmproblem vor der angekündigten Zeit in nur 1,5 Stunden zu beheben.

Nach der OP, aus der mich der Kollege etwas früher entläßt, komme ich mit etwas zerzausten Haaren und einem unglaublichen Hunger, Durst und Harndrang (konnte ich alles bisher noch nicht befriedigen) wieder in die Notfallambulanz. Ich habe schon den Toilettentürgriff in der Hand , da nimmt mich gleich eine Schwester beiseite.
"Du die Verwandte von der Patientin in Zimmer X hat sich über Dich bei der PDL beschwert. Wir haben aber schon alles wieder schön gemacht und sie auf Händen getragen. Sie hat sich schon wieder beruhigt."

Und genau das ist eins der Probleme, die man in dem Job zunehmend bemerkt. Jeder noch so ferne Verwandte, der sich das ganze Jahr überhaupt einen feuchten Kericht um unseren Patienten kümmert, spielt sich im Krankenhaus fast zum Freiheitskämpfer für dessen Interessen auf.
Kennt man ja auch aus der eigenen Familie. Meistens gibts einen der sich kümmert und kein großes Federlesen daraus macht, aber immer gibts auch einen, der den dicken Maxl markiert, den der eigentliche Mensch, um den es geht, aber überhaupt nicht interessiert. Und so kommt es dann auch meistens zu dem was wir heimlich OMW-Syndrom nennen (Opa/Oma Muss Weg), man erfindet einfach irgendetwas, ein Symptom, das der oder die Patientin hat und liefert denjenigen oder diejenige im Krankenhaus ab (Vorzugsweise seit 5 Tagen keinen Stuhlgang, da wissen die Leutchen schon, das man das nicht so ohne weiteres in 5 Minuten klärt). Die werden sich dann schon im Kh um Oma/Opa kümmern. Das ist die Masche derer die sich schon auskennen.
Die Unerfahrenen probieren die soziale Schiene aus: "Also sie sind doch ein Arzt, da muss man den Leuten doch helfen" oder die "unwissende" Schiene "also wir kommen zuhause gar nicht mehr zurecht und wir wissen auch nicht an wen wir uns denn wenden sollen und da muss jetzt was gemacht werden, da haben wir ein Recht darauf (vorzugsweise Freitag abend um 20:30 Uhr)" und auf die Frage ob schon Kontakt bei Pflegeberatung oder Hausarzt gesucht wurde kommt immer ein nein.

Doch zurück zur Geschichte. Ich also nochmal dort rein ins Behandlungszimmer um nachzusehen was los ist. Sitzt da ne ultrafreundliche sehr zufriedene Verwandte, die unser Haus in den höchsten Tönen lobt. Und ich denk noch: "ups falsches Zimmer" aber nein nur Ergebnis von "(entschuldigung) Arschkriecherei". Direkt angesprochen auf die Beschwerde kommt nur:
"Naja ich war nur entsetzt sie waren ja total überfordert, ich meine nicht sie im speziellen, Herr Doktor, sondern die gesamte Abteilung, das hat mir schon Angst gemacht..."
Und dann rennt sie schnurstracks zur PDL (Pflegedienstleitung), die natürlich ankommt und den Schwestern ordentlich Dampf macht mit dem Ergebnis dass sich besonders um die erzürnte "Kundin" gekümmert wird. Das derweil ca 20 andere Patienten warten muessen spielt keine Rolle. Der "Kunde" ist König.
Weiter nachgeforscht ergibt es sich, dass unsere eigentliche Patientin derweil quietschvergnügt auf Ihrer Liege liegt, deftige Scherze macht und sie halt ein bisschen Schmerzen hat im Arm (aber geht schon Herr Doktor, im Krieg und beim Kinderkriegen hab ich schlimmeres erlebt) Auf die Frage hin ob sie den gestürzt sei oder was den passiert sei, erklärt die Patientin durchaus glaubhaft sie habe diese Schmerzen schon öfters und länger, sei aber vor 3 Tagen gestolpert und habe sich dabei mit dem Arm abgestützt während die Tochter mir zu verstehen gibt, das das so zu Hause nicht mehr geht und wir die Patientin unbedingt stationär aufnehmen müssen (Stichwort OMW). Die Patientin hat im übrigen überhaupt keine Lust ins Krankenhaus zu kommen , wer hat das schon, und wird dann erstmal schön bearbeitet.
"Du willst uns doch nicht schon "wieder" Ärger machen. Denk doch mal an X was der alles in der letzten Zeit .... "
Nach entsprechender Konditionierung der Patientin folgt dann die letzte totale Absicherung wiederum an mich,
" Also mit dem Arm kann sie sich zu Hause ja gar nicht helfen und außerdem ist sie dement, sie sehen ja, sie kann das gar nicht einschätzen."
Kommt mir eigentlich nicht so vor, die Patientin scheint eher vernünftig zu sein. Aber bevor die arme Dame dann zuhause alleine sitzt und nicht zurechtkommt oder was noch schlimmer ist sich unsere Verwandte erneut beschwert und man vom Chef dann eine Abmahnung kriegt wegen ungebührlichen Verhaltens...
Tja und was macht man dann? Dann nimmt man eine Patientin stationär auf, auf medizinischer Basis eigentlich nicht begründbar, man nennt das "Soziale Indikation" damit die armen gestressten Verwandten ihr Wochenende schön stressfrei verbringen können oder vielleicht auch ein paar Tage mehr, bei Leuten über 70 ist es ja nicht schwer in der täglichen Routine irgendeine Erkrankung zu finden.
Wäre an diesem Tag weniger los gewesen hätte, ich vielleicht noch versucht zu diskutieren, auf die Verantwortung und das Gewissen zu appelieren aber in dem Fall sagte ich mir, na wir haben noch ein paar Betten frei, auch wenns die Kasse ehh nicht bezahlt, dann nimmste die alte Dame halt stationär auf. Und so kams. Schöner Herrentag!

Vorstellung

Guten Tag!
Ich bin Arzt.

Dieser Blog enthält Geschichten aus dem richtigen Leben. Ich behalte mir nur manchmal vor, aus Datenschutzgründen und um die Identität der Betroffenen geheim zu halten, ein wenig die Details abzuändern. Ich denke da jeder Mensch schon einmal im Krankenhaus war oder beim Arzt, kann er diesen Punkt verstehen.

Also...Meine Arbeit besteht darin Menschen zu helfen. Auf medizinischer Ebene, dachte ich, als ich hochmotiviert, wie fast alle Studenten aus dem Studium kam und meine Ausbildung zum Chirurgen in einem kleinen Krankenhaus in einer mittleren Großstadt in Deutschland begann.
Schnell merkte ich, dass Theorie und Realität in einer Notfallambulanz nicht sehr nahe beieinander liegen. Damit will ich nicht sagen das ich schlecht ausgebildet worden wäre, nein!
Vielleicht ein bisschen zu theoretisch könnte man sagen. Naja...
Nach einer kleinen Schonfrist auf einer ca 30 Betten großen Station begannen für mich auch schon bald (nach 8 Wochen) die unter Mediziner so gefürchteten "Dienste". Das bedeutet, nach 8h Dienst noch für den Rest der 24h Bereitschaftsdienst in der Notfallambulanz abzuleisten.

Notfallambulanz...
Was bedeutet dieses Wort eigentlich? Notfall ist klar, aber Ambulanz... Wartet mal, Wikipedia sei dank. Hmmm... lateinisch für spazieren gehen. Eigentlich dachte ich immer nur wer schwer krank ist oder sich verletzt hat stellt sich in einer Notfallambulanz vor. Weit gefehlt, wie ich schnell lernen sollte. Der Name ist nämlich Programm. Aber ich greife zu weit, voraus.

Warum bin ich auf die Idee gekommen zu bloggen. Nun einer meiner Gründe liegt darin, vielleicht ein wenig edukativ zu sein, ein anderer darin, dass ich gemerkt habe, dass meine Geschichten, die ich aus dem täglichen Leben zu erzählen habe bei meiner Familie und meinen Freunden stets für Heiterkeit sorgen. Es gibt aber auch traurige Geschichten, sehr traurige Geschichten. Auch diese sollen hier zum Besten gegeben werden. Jedenfalls möchte ich die Seite der Notfallambulanz beleuchten, die von Patientenseite erst einmal nicht so wahrgenommen wird. Ich werde zum Teil Geschichten aus der Vergangenheit und aus der Gegenwart erzählen, da ich immer noch in einer Ambulanz arbeite und es immer wieder Erlebnisse gibt, die es wert sind erzählt zu werden.