Sonntag, 21. Februar 2010

Schamanismus für alle, oder das Geschäft mit der Angst

Hallöchen. Heute möchte ich über die Thematik Schamanismus in der Medizin reden. Ist Ihnen aufgefallen, dass in der letzten Zeit die sogenannten Igel-Leistungen in der Medizin fast explodieren. Ich bin zufällig Mitglied in einem dieser bekannten sozialen Netzwerke im Internet, die ebenfalls gerade einen Boom erleben. Hier wurde ich von, sage und schreibe, sieben Anbietern einer neuartigen Therapie eingeladen, von der ich a) bisher noch nie etwas gehört habe und b)die absolute Wunder verspricht. Die Namen dieser Therapien will ich hier nicht nennen, aber ich frage mich dann doch, woher der Markt kommt diese anzubieten.

Anscheinend sind die Patienten heutzutage so unzufrieden mit der "normalen " Schulmedizin, dass dieser Boom an Alternativen einen entsprechenden Nährboden findet. Spannend ist vorallem, dass diesselben Patienten die bei uns sich ueber 10 EUR Praxisgebuehr mokieren, dort hunderte von Euros lassen. Woher kommt dieser Trend?

Liegt es daran, dass die Arztfrquentierung mittlerweile pro Patient bei ca 18 Besuchen/Jahr liegt und daher der durchschnitttliche Arzt 3 Minuten pro Patientenbesuch Zeit hat. Wenn er allerdings eine IGEl-Leistung anbietet, dann kann er sich Zeit lassen. Warum hat diese Frequenz der IGEL-Leistungen, so zugenommen? An zunehmender Krankheit kann es nicht liegen, wir sind laut Statistik so gesund wie noch nie und werden auch so alt wie noch nie.

Hier meine Meinung: Der durchschnittliche Patient vor ca 50 Jahren ohne Internet, mit somatischem Krankheitsbild erwartete von " seinem" Arzt drei Dinge wuerde ich sagen: Verständnis, Therapie und Beratung. Was erwartet er heut? Diesselben Dinge.

Was hat sich also verändert..? Nun, viele Dinge werden mittlerweile ziemlich detailgetreu im Internet wiedergegeben. Und der unversierte Laie nutzt diese Information natürlich, ist ja sein gutes Recht, allerdings ohne den notwendigen Filter. Ich erinnere mich noch gut an die Studienzeit in der ich bei jedem neugelernten Krankheitsbild die entsprechenden Symptome sofort an meinem Körper erkennen konnte. Auch meine Kommilitonen mußten diesen Zustand in großer oder kleiner Ausprägung durchmachen. Harte Zeit. Aber wie sagte mein alter Professor immer, häufig ist häufig und selten ist selten. Bei uns findest du also eher ein Pferd auf dem Feld als ein Zebra. Und genauso ist es auch mit den Krankheiten.

So jetzt kommen wir zu der heutigen Situation. Vor 50 Jahren hatte keiner ne Ahnung und ging deshalb zum Arzt damit dieser ihm sagt: Mein Herr ihr Husten ist nach reiflicher Überlegung und in Anbetracht ihrer Vorgeschichte und ihrer Lebensumstände mit relativer Wahrscheinlichkeit eine Erkältung. Das heißt der Arzt war Spezialist aufgrund seines Wissens und wurde konfrontiert um dieses kundzutun und eventuell eine Therapie einzuleiten, wenn möglich.

Heute kommt ein Patient zum Arzt und sagt Herr Doktor ich habe Husten der Nachts schlimmter ist als tagsüber, Fieberschübe bis 39°C, blutigen Sekretfluss aus der Nase und mein Nachbar war gerade in Thailand ich muss Hanta oder Ebola haben oder Krebs und brauche unbedingt das neue Medikatment von ...(etwas übertrieben, einige werden lachen, aber so oder ähnliche Geschichten hört man tatsächlich in der Notfallambulanz. Die pure Angst und Angst ist ziemlich unlogisch.)

Was ist also hier passiert und was erwartet der Patient. Passiert ist folgendes: Unser Patient hat sich informiert. Schon mal nicht schlecht, aber ihm ist das Gleiche passiert wie mir im Studium, man reiht Symptome aneinander und schon landet man bei einer Haarsträubenden Diagnose.
Nun beginnt sich der Teufelskreis zu drehen. Ohne die Info hätte der Patient vielleicht dasselbe gemacht wie früher: Bett legen, Fieber senken, feuchte Inhalationen und Schwitzen unnd wenns nicht besser wird, geht man zu seinem Arzt. Aber das kann der heutige Mensch nicht mehr mit ner Diagnose im Kopf die einem den qualvollen Tod in ca. 10 min verspricht. Also rennt er panisch in die Notfallambulanz. Stichwort Angst.

Und überall sieht man Zeichen, oder Information die diese Angst schuert. Die Apothekenzeitschrift, einschlägige Illustrierte, das abendliche TV-Programm. Grauenhaft, welch gefährliches Halbwissen hier vermittelt wird und welche Lösungen hier angeboten werden. Nichts anderes bei den niedergelassenen Ärzten aber auch in den Krankenhäusern. Zellregulationstherapien, Pendeltherapien nur um einige herauszusuchen, das Internet ist voll davon.

Das Problem liegt darin, dass die Leute für ihr Heil, für diese Generalablässe der Medizin, nur Geld ausgeben muessen und nicht wie der böse Schulmediziner immer predigt auf eine ausreichende und ausgewogene Ernährung zu achten, damit auf das Gewicht, den Konsum von Spaßmachenden Dingen einzuschränken usw. also ihr Leben umstellen muessen. Gemeint sind die ganzen Wohlstandskrankheiten, die mittlerweile einen ordentlichen Anteil der Arztbesuche ausmachen. Und sein Leben wirklich umstellen ist anstrengend. Und das macht auch keiner, kennt man ja von sich selbst, mal ehrlich ein paar Pfunde weniger wären schön, aber keine Zeit zum Sport und nach der schweren Arbeit muss man sich schon belohnen, man hat ja sonst nichts vom Leben.

Jedenfalls kommt dann, sobald man hier ein Zwacken oder Zwicken hat die Angst ins Spiel. Und diese wird dann fleißig genährt durch unsere multimediale Welt. Haben wir verlernt unseren gesunden Menschenverstand zu benützen? Und die Angst ist groß. Da kommen Leute mit Schnittwunden in die Notfallambulanz, da hätte meine Oma vor 15 Jahren noch nicht mal ein Pflaster draufgetan. Fast immer kommt hier der Kommentar : Ich hatte Angst und wollte nochmal einen Arzt daraufkucken lassen. Ich hatte sogar eine Mutter mit Kind in der Notfallambulanz, die allen ernstes fragte, ob eine Blase an der Ferse, die das Kind nach Wandern über 5 Stunden in neuen Wanderschuhen hatte, Krebs sein könnte. Aber was ist die Lösung? Noch mehr Leistungen, die uns vor Krankheiten schützen sollen, die noch gar nicht existieren? Ich weiss es nicht...